Tilt Five ausprobiert: Wie gut ist das AR-Brettspielsystem? (2024)

AR-Brille

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Bild: Tilt Five

Auf der Gamescom 2022 konnte ich einen Blick auf das Augmented Reality-Brettspielsystem Tilt Five werfen. Überzeugen die 3D-Hologramme?

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Die Messehallen der Gamescom 2022 werden schnell zum Labyrinth. Zwischen überlebensgroßen Bowser-Figuren, einem Wrestling-Ring und zahlreichen bunt dekorierten Anspiel-Ständen verliert man schnell den Überblick.

Während einer kurzen Orientierungs-Pause auf einem der vollgepackten Messe-Gänge stand ich mit Kollege Ben vor einem unscheinbaren Stand. Drei leere, weiße Wände, zwei kleine Tische und ein Pult. In den ansonsten reizüberfluteten Hallen wirkte dieser Stand wie ein Whiteboard.

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Durchaus passend, denn das dort vorgestellte Produkt erschafft aus einer leeren Fläche eine lebendige 3D-Welt: Wir hatten den Stand des Augmented Reality-Systems Tilt Five gefunden.

Jeri Elsworth präsentiert Tilt Five auf der Gamescom 2022

Niemand Geringeres als Jeri Ellsworth persönlich nahm uns in Empfang. Die ehemalige Valve-Ingenieurin bastelt seit knapp zehn Jahren an ihrem Augmented Reality-Brettspiel für das Wohnzimmer. 2019 sorgte eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne für ein Budget von fast zwei Millionen US-Dollar.

Nach pandemiebedingten Verzögerungen soll Tilt Five in den nächsten Monaten in den Verkauf gehen und mit 16 AR-Spielen starten. Im Rahmen der Gamescom kündigte das Start-up eine AR-Hologramm-Version der Siedler von Catan an. Catan konnten wir zwar nicht anspielen, dafür aber eine umfangreiche Tech-Demo, die die Bandbreite des AR-Systems demonstrieren sollte.

Tilt Five: Der Wow-Effekt verpufft zu schnell

Man merkt Ellsworth ihre Begeisterung für ihr Herzensprojekt Tilt Five mit jedem Wort an. Jedes neue Spiel, jede noch so kleine Spielmechanik kündigt sie mit leuchtenden Augen an. Leider kann ich ihre Begeisterung für das Brettspiel mit 3D-Hologrammen nicht immer teilen.

Ja, auf den ersten Blick ist Tilt Five etwas Besonderes. Der Blick durch die Brille zeigt mir eine dreidimensionale Landschaft mit Bäumen, Gebäuden und einem mittelalterlichen Kämpfer, wo sich eigentlich nur ein weißer Tisch mit einer silbern schimmernden Auflage befindet.

Ich kann mich beliebig um den Tisch herum bewegen, überblicke das Spielfeld von oben oder sehe mir das Geschehen aus der Nähe an. Alles ohne großen Qualitätsverlust. Die Steuerung des kleinen Helden über den Controller, der einem Kaminfeuerzeug ähnelt, verläuft flüssig. Ich hüpfe, schwinge das Schwert und renne wie durch ein Videospiel mit Top-Down-Ansicht.

Die Sehgewohnheiten machen den Unterschied

Tatsächlich fühlt es sich für mich schon nach wenigen Sekunden genau danach an – einem einfachen Videospiel. Die Auflösung ist nicht besonders scharf, die Grafik nicht besonders beeindruckend und das Spielgefühl einfach nichts Neues. Der 3D-Hologram-Effekt verpufft nach wenigen Augenblicken.

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Natürlich sehe ich Tilt Five mit Augen, die täglich durch VR-Brillen und auf Monitore blicken. Wer sich kaum mit Virtual Reality und Videospielen befasst, sieht wahrscheinlich mehr in den Hologramm-Spielen. Dennoch kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sich das AR-Brettspiel in der Breite der Wohnzimmer etablieren wird.

Allerdings gibt es Nischen, in denen das System Sinn ergeben könnte. Etwa könnte sich Tilt Five für Rollenspieler und Tabletop-Liebhaber lohnen, die nur wenig Platz für einen eigenen Tisch und Figuren haben. Vorausgesetzt, ihre D&D oder Warhammer-Kampagnen bekommen passende Software-Unterstützung. Und auch auf Reisen hat das System seine Stärken, denn es braucht nicht viel Platz: Ein Tisch in der Bahn reicht aus und schon kann sich gemeinsam die Zeit mit AR-Brettspielen vertrieben werden.

Der Preis könnte zum Problem werden

Tilt Fives größtes Problem ist aber der Preis. Es scheint nicht das erste Mal zu sein, dass jemand die Kosten-Nutzen-Frage stellt, das sehe ich Ellsworth an. Sie argumentiert mit Inhalten: Es gebe laufend neue Inhalte, auch von Drittanbietern. Mehr Lizenzen, wie die von Siedler von Catan sollen folgen. Außerdem: Je mehr Brillen man kaufe, etwa für die ganze Familie, desto günstiger werde das Gesamtpaket.

Eine einzige Tilt Five-Brille kostet satte 360 US-Dollar. Ein Paket von drei Brillen liegt bei 960 US-Dollar. Eine gemütliche Brettspielrunde ist allerdings häufig noch größer. Die Anschaffungskosten übersteigen also schnell die 1.000-Euro-Grenze. Wer ein größeres Spielbrett möchte oder eine faltbare Version für Reisen zahlt extra.

Zusätzlich muss ein Smartphone für jede Brille als Zuspieler vorhanden sein. Für die Gamescom-Demo war die AR-Brille an einen Laptop angeschlossen.

Hat Tilt Five die richtige Zielgruppe im Visier?

Vielleicht hat Tilt Five mehr Chancen, wenn es sich tiefer in die Nische begeben und mit entsprechenden Lizenzen wie oben bereits beschrieben Tabletop-Klassiker wie Warhammer in die Augmented Reality bringen würde. In allen Demos präsentierte uns Jeri Ellsworth aber leider kein einziges echtes AR-Brettspiel.

Stattdessen setzt das Start-up derzeit zu sehr auf kleine Actionspiele, die kaum mehr bieten als Mobile Games auf dem Smartphone. Eine hätte mich dann doch beinahe überzeugt: Eine der Tech-Demos zeigte mir einen menschlichen Schädel. Je näher ich an ihn heranging, desto weiter konnte ich in das Gehirn blicken.

Mit einer etwas besseren Auflösung könnte Tilt Five mit dieser Art von 3D-Hologrammen einen erheblichen Mehrwert für Schulen, Universitäten oder andere Lehreinrichtungen bieten. Für das Wohnzimmer muss aber gerade auf der Inhaltsseite noch einiges passieren, damit sich das teure Paket wirklich lohnt.

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